Glühendes Eisen trifft eiskaltes Bier
Ein leicht schwefeliger Geruch steigt einem vor dem Trinken in die Nase. Der warme Schaum benetzt die Lippen, bevor man das noch kühle Bier darauf spürt. Im Mund vermischen sich kaltes Bier und warmer Schaum und ein vollmundiger, intensiver Geschmack entfaltet sich. „Fast jeder findet den Geschmack des gestachelten Bieres interessant, einigen schmeckt es richtig gut und ein paar wenige rümpfen die Nase“, erzählt Klaus Fürst-Elmecker. Seit einigen Jahren nimmt er seine Gäste mit in die alte Stadtschmiede und zeigt ihnen das alte Ritual des „Bierstachelns“.
Der Schürhaken als Bierwärmer
Im Gegensatz zur Schmiede, deren Geschichte mindestens 800 Jahre lang zurückreicht, sei das Bierstacheln noch relativ jung, erzählt der Freistädter Stadtführer: „Durch das Aufkommen der industriellen Kühlanlagen vor 150 Jahren wurde das Bier oft zu weit heruntergekühlt.“ Eine findige Wirtin sei es gewesen, die auf die Beschwerde eines Gastes wegen des zu kalten Getränks die richtige Antwort parat hatte: Sie soll einen Schürhaken im Ofen gewärmt und ihn dann in den Krug des Gastes gehalten haben, schildert Fürst-Elmecker. Das Bier wurde dadurch nicht nur wärmer, es soll auch plötzlich ganz ausgezeichnet geschmeckt haben.
Süß, intensiv und süffig
Wieviel Wahrheit in dieser Geschichte steckt, kann man heute nicht mehr überprüfen. Die Geschmacksveränderung beim Bier aber sehr wohl. Durch das Eintauchen des glühenden Eisens karamellisiert der Restzucker und die Kohlensäure verflüchtigt sich. Das Bier wird nicht nur etwas wärmer, sondern auch süßer, intensiver und süffiger. Die feinporige Schaumkrone und der leichte Schwefelgeruch runden das einzigartige Geschmackserlebnis ab. Zum Bierstacheln seien besonders stärkere Biere und vor allem Bockbier geeignet, sagt Klaus Fürst-Elmecker: „Sie haben einen höheren Restzuckergehalt, wodurch der Geschmack intensiver wird.“
Das Bierstacheln ist sicherlich der geschmackvolle Höhepunkt beim Besuch in der Stadtschmiede. Doch auch die Geschichte des Hauses, das sich heute samt dazugehörigem Scheiblingturm in Privatbesitz befindet, ist sehr interessant. In der einzigen Schmiede innerhalb der Freistädter Stadtmauern wurden jahrhundertelang Hufeisen geschmiedet und Fuhrwerke in Stand gesetzt. In Betrieb war die Schmiede bis Mitte der 1970er Jahre. Maschinen wie der Elektromotor oder der 30-kg-Hammer sind mittlerweile schon fast 100 Jahre alt – und funktionieren noch immer. Das zeigt Pensionist Karl Pölz, gelernter Wagner, auch heute noch, wenn er in gekonnter Manier das glühende Eisen zu Nägeln oder Hufeisen schmiedet.
Für Klaus Fürst-Elmecker ist nicht nur die alte Stadtschmiede, sondern die ganze Freistädter Altstadt eine „einzigartige Perle“ der Mühlviertler Hügelwelt. Bei Stadtführungen, Rundgängen durch die historischen Keller oder eben beim Bierstacheln möchte er diese Einzigartigkeit den Besuchern näherbringen. Die Leidenschaft des 60-Jährigen ist auch beruflich bedingt: Denn in seinem Brotberuf als Architekt ist Fürst-Elmecker Experte für historische Bausubstanz.
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Weitere Informationen
Alte Schmiede und Scheiblingturm Freistadt
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Bierstacheln in der Stadtschmiede Freistadt
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