"Was fällt euch spontan zum Mühlviertel ein? Was ist typisch für die Region nördlich der Donau?", frage ich einige Bekannte und bekennende Mühlviertel-Liebhaber, bevor ich meine Reise in die granitenen Höhen beginne. "A guads Bier", "a Hügel nach dem anderen", "a traumhafte Natur mit superschönen Ausblicken" und "die typischen grau-weiß gfleckte Bauernhäuser", bekomme ich zu hören.
Na gut, über die lange Biertradition des Mühlviertels weiß ich Bescheid - und dass es im Granithochland recht hügelig zugeht und man dadurch tolle Weitblicke über die naturbelassene Landschaft erhaschen kann, kann wohl niemand bestreiten. Doch was hat es mit diesen komisch gefleckten Höfen auf sich? Ich mache mich auf den Weg und will dem Geheimnis bei einer Entdeckungstour durch das Mühlviertel auf den Grund gehen.
Schnell merke ich, dass der traditionsreiche Steinbloß-Baustil das Granithochland bis heute prägt. Wunderschön schmiegen sich die alten Steinbloßfassaden der Bauernhöfe in die sanfte Mühlviertler Hügellandschaft. Doch was für vorbeikommende Wanderer wie mich eine wahre Freude für das Auge ist, zeugt von der Not früherer Tage.
Kalk war rar und teuer – und so musste man sich mit handwerklichem Geschick und viel Einfallsreichtum die Gaben der Natur zunutze machen. "So besonnen sich die ersten Siedler im Mühlviertel auf den Reichtum ihrer Felder – denn Steine hatte und hat man schließlich genug!", erzählt mir ein Bauer, der mich verwundert beim Fotografieren der Steinbloß-Höfe ertappt und prompt ein Gespräch mit mir beginnt. "Nach jedem Pflügen der Felder kommen die grauen Granitfindlinge zum Vorschein."
Mühsam wurden sie für die Errichtung der typischen Steinbloß-Höfe von den Feldern „geklaubt“ und sorgfältig Stein für Stein – mit der flachen Seite nach außen - zu doppelwandigen Mauern aufgestaut und mit Sand und Erde gefüllt. Um Wind und Wetter standzuhalten, verfugte man die einfache Steinkonstruktion mit Lehm und Kalk. Durch Jahre der Verwitterung wurde die Farbe an vielen Stellen jedoch abgewaschen und die grauen Granitfeldsteine kamen zwischen den weißen Putzflächen zum Vorschein. Der Stoa wurde bloß!
Was so einfach scheint, hält durch die schweren Granitsteine die Hitze der Sommertage ab und speichert im Gegenzug im Winter lange die wohlige Wärme in der Stube. Aus der Not entstand beste Mühlviertler Baukunst, die die Region bis heute prägt!
Auf meiner Entdeckungsreise durch die Hügellandschaft des Mühlviertels finde ich immer wieder ganz versteckt diese alten Steinbloß-Höfe. Das satte Grün der Wiesen und Wälder ergänzt sich dabei perfekt mit den grau-weiß gefleckten Fassaden. Zwischen den Weiten der Landschaft scheint es mir fast so, als ob die liebevoll dekorierten Häuser hier von der Zeit vergessen wurden.
Von dem beinahe romantischen Anblick der Höfe fasziniert, frage ich nach warum heutzutage kaum mehr nach dem traditionellen Baustil gebaut wird. "Brauchst ein Loch, bekommst ein Stadeltor!" - die Antwort sagt wohl alles. Vor dem Aufwand und der eingeschränkten Flexibilität der Umbauten schrecken heutzutage die meisten zurück. Umso mehr bin ich erfreut, als ich erfahre, dass die Zeugen der alten Baukunst heute gut behütet und von vielen Bauherren liebevoll renoviert werden.
3 Top-Wanderrouten für eure Erkundungstour auf den Spuren der steinernen Schätze:
Insgesamt 24 der grau-weißen Prachtexemplare liegen auf dem 12,5 km langen Steinbloß-Mauer-Weg in Hirschbach im Mühlkreis. Der Rundweg, der in gut drei Stunden und mit nur rund 150 m Höhenunterschied auch für ungeübte Wanderer leicht zu bewältigen ist, ist ganz der Vielfalt von Steinen gewidmet. Neben den urtypischen Steinbloß-Höfen führt der Wanderweg auch entlang von mit Steinen gestalteten Andachtsplätzen und Kraftplätzen in der Natur.
Imposant thront das Kammerer-Kreuz auf 989 Metern in Silberberg bei Kaltenberg und markiert als Bergkapelle die höchste Stelle des beliebten Pilger- und Wanderweges „Johannesweg“. Die Steinbloß – Kapelle bietet etwa 70 Besuchern Platz und ist ein vielfach liebgewonnener Aussichts- und Rastplatz. Erwandern lässt sich der Kammererberg nicht nur am Johannesweg, sondern auch innerhalb einer halbtätigen Rundtour von Kaltenberg aus. Der Silberberger-Wanderweg führt vom Ortszentrum in rund 4 Stunden zur Wallfahrtskapelle und retour.
Ein echtes Unikat ist die Hoisn-Kapelle in Wienau bei Weitersfelden. Die ansehnliche Granitsteinkapelle in echter Steinbloß-Bauweise besteht ausschließlich aus von Bauernhand bearbeiteten Granitsteinen. Der rund 10 Kilometer lange Rundwanderweg führt von Weitersfelden über Haid nach Wienau. Auf der ganzen Strecke, sowie am Rückweg über die Ortschaft Eipoldschlag kann man dabei immer wieder aus Granit gemeißelte Kleindenkmäler und urige Steinbloß-Höfe entdecken.
Wer lieber auf zwei Rädern das Mühlviertel erkundet, wird bei der Steinbloßrunde nicht enttäuscht. Die wunderschöne Radroute lockt mit zahlreichen traditionellen Steinbloß-Bauernhöfen!
Die alte Schmiede, die 1526 in mühevoller Handarbeit im Steinbloß-Stil errichtet wurde und eines der ältesten Häuser der Gemeinde ist, gibt Einblick in die Arbeitswelt eines Huf- und Wagenschmiedes. Bis ins Jahre 1953 wurden hier Eggenzähne, Türbänder, Fenstergitter, Pflugeisen und Äxte hergestellt und Räder beschlagen. Die Alte Marktschmiede in Lasberg ist im Urzustand erhalten und eingerichtet und ist wahrlich eine besondere, in ihrer Art einmalige Attraktion.
Ein Paradebeispiel für einen Steinbloßhof ist die frühere Edlmühle, in der sich das heutige Bauernmöbelmuseum Hirschbach befindet. Das Museum vermittelt die barocke, bäuerliche Wohnkultur im 18. Jahrhundert. Die farbprächtigen Hirschbacher Bauernmöbeln zeugen eindrucksvoll vom Leben in einem Mühlviertler Bauernhof.
Im Mostmuseum beim „Wirt z’Trosselsdorf“ kann man die historischen Gerätschaften der Mosterzeugung besichtigen. Bis 1981 wurde im stoabloßen Presshaus der Familie Miesenberger eimerweise Most gepresst. Dafür musste sogar ein Pferd über die Stufen ins obere Geschoss geführt werden, das dort geduldig seine Runden drehte und den mächtigen „Göppel“ antrieb, der wiederum das Mostobst zerquetsche und den frischen Saft gewann.
Einmalige Feste in einmaliger Kulisse, traditionelle Hausmannskost im Kulturwirtshaus, Bierverkosten im Tragweiner Gut, regionale Köstlichkeiten einkaufen und dann übernachten im urigen Steinbloß-Bauernhof: Besondere Tipps für Liebhaber der Mühlviertler Baukunst!
Auch die österreichische Baubranche hat sich dem Thema Steinbloß angenommen. Auf der Daibau.at-Plattform können Sie den Artikel zum Thema "Steinbloß" im Magazin nachlesen.
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